Auch wegen seines missglückten Panenka-Elfers hatte Vincenzo Grifo beim 1:0-Erfolg auf St. Pauli keinen guten Auftritt. Doch Freiburgs Top-Scorer durfte wieder starten und ebnete mit seiner eindrucksvollen Antwort den Weg zum 5:0-Kantersieg gegen Bremen. Zudem war ein konkreter Lerneffekt zu erkennen – auch beim Trainer.
Freiburger Lerneffekt – auch beim Trainer
Kurz vor und kurz nach dem Jahreswechsel gab es zwei Heimspiele, in denen der SC Freiburg 3:0 führte, dann aber gegen Wolfsburg und Kiel noch zwei Gegentore kassierte und eine große Portion Glück hatte, nicht jeweils den Sieg noch verspielt zu haben. Am Freitagabend gegen Bremen bot sich dem Beobachter ein ganz anderes Bild.
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Die SC-Profis verfielen nach dem dritten eigenen Treffer nach knapp einer Stunde nicht in Passivität, sondern zeigten weiterhin Präsenz und Griffigkeit in den Zweikämpfen, suchten den Weg nach vorne. Letztlich erspielte sich das Team von Julian Schuster neben weiteren gefährlichen Angriffen nach dem 3:0 noch vier klare Torchancen, von denen Ritsu Doan zwei für seinen späten Doppelpack nutzte.
Umgang mit Führung: Lerneffekt auch bei Schuster
Schuster freute sich sehr über den deutlich reiferen, aktiveren Umgang mit der hohen Führung: „Das war mir definitiv wichtiger, als noch zwei weitere Tore zu schießen.“ Der SC-Coach lobte dabei auch die Offensivjoker Niklas Beste und Eren Dinkci, die er in der 71. Minute brachte und die nach Einwechslung auch schon beim Sieg auf St. Pauli entscheidenden Schwung gebracht hatten: „Auch durch sie hatten wir wieder mehr Balleroberungen und haben mehr Druck drauf bekommen. Es ging nicht darum, sich hinten einzunisten, sondern immer wieder die Höhe zu erreichen und dort höhere Ballgewinne zu haben. Das war sehr gut.“
Auch bei Schuster selbst war ein Lerneffekt erkennbar. Anders als gegen Wolfsburg und Kiel, als er jeweils vor den beiden Gegentoren die Hälfte der stabilen Viererkette ausgewechselt hatte, ließ er den abermals starken Abwehrverbund diesmal lange unangetastet. Erst nach dem 4:0 brachte er Jordy Makengo für Kapitän Christian Günter links hinten.
Erneutes Startelfmandat für Grifo goldrichtig
Auch mit einer anderen Maßnahme lag Schuster goldrichtig. Nachdem Vincenzo Grifo beim Spiel auf St. Pauli offensiv weitgehend wirkungslos geblieben war und dazu noch seinen dritten Bundesliga-Strafstoß in Serie per Panenka vergeben hatte, hätte es nachvollziehbare Argumente dafür gegeben, erstmals Winterzugang Beste links vorne in der Startelf zu bringen und den alljährlichen Top-Scorer zunächst draußen zu lassen.
Doch Schuster schenkte Grifo erneut das Vertrauen in der Anfangsformation, das dieser mit einer eindrucksvollen Antwort zurückzahlte. Die italienische Offensivkraft leitete das wegweisende Traum-Fallrückziehertor von Kiliann Sildillia per Ecke ein, erhöhte per raffiniertem direkten Freistoßtor auf 2:0 und erzielte nach der Pause auch noch das 3:0, als er ballfern einen konsequenten Tiefenlauf in den Strafraum per sauberer Direktabnahme einer Höler-Flanke veredelte.
„Es war wirklich schön für die Moral der ganzen Mannschaft, die in den letzten Wochen unglaublich eng zusammengerückt ist, die immer stärker wird. Wir hatten uns sehr viel vorgenommen, was total gelungen ist. Solche Tage hast du nicht jedes Mal, dass dann alles für dich läuft“, sagte Grifo mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und schwärmte noch von den „Bildern“ aus der Fankurve, wo er auf dem Zaun zusammen mit den anderen Matchwinnern Sildillia, Doan und Torwart Noah Atubolu gefeiert hat, der unter anderem beim Stand von 2:0 einen Silva-Elfer stark pariert hatte.
„Woanders wirst du wahrscheinlich zerrissen, wenn du zwei Elfer hintereinander verschossen hast, die Jungs dich wieder ranlassen und du machst dann einen Panenka, der nicht klappt.“ (Vincenzo Grifo)
Eine andere Schlüsselszene war natürlich Grifos Freistoßtor – eine besondere Pointe des Standardexperten nach seiner ungewöhnlichen Elfer-Fehlschussserie in der Liga, nachdem er zuvor 26 von 28 Strafstößen im deutschen Oberhaus verwandelt hatte. „Woanders wirst du wahrscheinlich zerrissen, wenn du zwei Elfer hintereinander verschossen hast, die Jungs dich wieder ranlassen und du machst dann einen Panenka, der nicht klappt“, erzählte Grifo vom Verhalten seiner Teamkollegen: „Aber statt auf mir herumzutrampeln, haben mich die Jungs aufgefangen, gepusht und gesagt, du hast so viele Elfer in deiner Karriere reingemacht, wir stehen hinter dir, mach‘ dir mal keinen Kopf. Das zeigt einfach, wie toll diese Mannschaft ist.“
Als Ausdruck dessen zeigte Kapitän Günter beim Jubeln nach dem 2:0 demonstrativ auf den italienischen Kunstschützen, der in puncto Freistöße eine etwas längere Durststrecke beendet hat. „Ich hatte seit langem kein Freistoßtor mehr gemacht. Dann sind Freistöße doch einfacher als Elfmeter“, sagte Grifo mit einem Lachen. Einen ruhenden Ball außerhalb des Strafraums hatte er letztmals bei seinem Dreierpack zum 3:1-Sieg in der Europa League bei Backa Topola im Oktober 2023 verwandelt. In der Bundesliga datiert sein letztes Freistoßtor vom 1:1 gegen Leverkusen im Februar 2023.
„Die Mannschaft macht einen herausragenden Job im Moment“
„Von der Position her hätten Günni oder ich den Ball auch reinflanken können. Aber ich habe direkt zu Günni gesagt, ich schieße. Ich habe natürlich den Torwart beobachtet und dann minimales Glück auch, dass sich Njinmah ein bisschen wegdreht und der Ball genau dort durchgeht und am Ende perfekt passt“, beschrieb Grifo seinen raffinierten Schuss, den er rechts um die Mauer aufs kurze Eck drehte und sich dann nach vorne lehnte, um den Einschlag zu beobachten.
Grifo, der in dieser als Kollektiv in den letzten Jahren oft erfolgreichen Mannschaft immer wieder entscheidende Extraklasse verkörpert, ist trotz seiner exponierten Position Teamplayer durch und durch und betonte zu Recht: „Wir sind sehr glücklich, dass wir jetzt wirklich vier Spiele in Folge zu null gespielt haben. Das zeigt, wie stabil wir einfach sind und, dass wir wenig zulassen. Die Mannschaft macht einen herausragenden Job im Moment, da kann man alle nur loben.“
Grifo süffisant: „Es wäre auch geil, Meister zu werden“
Die jüngste Erfolgsserie hat die Freiburger zumindest bis zum Leipziger Sonntagsspiel aktuell auf Champions-League-Rang vier geführt. Grifo, der in den vergangenen drei Saisons, in denen der SC zweimal in die Europa League und dort jeweils ins Achtelfinale eingezogen war, immer recht offen mit seinen internationalen Ambitionen und Träumen umgegangen war, ließ sich bei der Frage nach der Königsklasse nicht locken: „Es wäre schon geil irgendwie, aber es wäre auch geil, Meister zu werden“, sagte der 31-Jährige mit einem süffisanten Lachen und ordnete ein: „Ich weiß, für euch von außen ist das ein Stück weit interessant, aber für uns gar nicht. Wir hatten einen riesigen Respekt vor Bremen, waren mit denen vor drei Wochen noch punktgleich und sind jetzt neun Punkte entfernt. Das zeigt, wie schnelllebig der Fußball ist. Deswegen will ich noch gar nicht über sowas reden, weil wir in drei Wochen vielleicht anders dastehen.“
Eine andere, wesentlich unerfreulichere Serie ist ja auch gar nicht so lange her. Vor den jüngsten vier Siegen hatte der SC aus fünf Partien nur die drei Punkte gegen Kiel geholt und insgesamt 17 Gegentore kassiert. Eine solche Phase soll sich nun nicht wiederholen, in Augsburg wollen die formstarken Freiburger am Sonntag nachlegen. Dann, im Fall des Falles, auch wieder mit dem Elferschützen Grifo? „Wer weiß? Lasst euch überraschen. Ihr kennt mich, am Selbstvertrauen fehlt es nicht.“ Wer sollte daran nach dem Auftritt vom Freitagabend noch Zweifel haben.