Schiri Stieler: Frei für Hamburger Klubs, „gesperrt“ für Freiburg 

 

Wenn ein Elite-Schiedsrichter seinen Wohnort wechselt, kann das Konsequenzen für seine Ansetzungen haben. So wird FIFA-Referee Tobias Stieler (43) künftig keine Freiburg-Spiele mehr leiten – nach bewegter Vergangenheit mit dem SC inklusive annulliertem Platzverweis.

Ansetzungsbeschränkungen durch Wohnort und Stammverein

Die Corona-Pandemie hat in der Schiedsrichter-Ansetzungspraxis für grundlegende Änderungen gesorgt. Um Übernachtungen der Referees zu vermeiden und kurze Anfahrtswege zu gewährleisten, wurde die so genannte Landesverbands-Neutralität abgeschafft. Der zufolge wurden Unparteiische jahrelang nicht für Spiele eingeteilt, an denen Klubs aus dem Landesverband ihres eigenen Stammvereins beteiligt waren.

Seit dem Corona-Spielbetrieb hat sich Grundlegendes verändert

So pfiff beispielsweise der zweimalige Weltschiedsrichter Felix Brych aus München lange keine Spiele des FC Augsburg oder des 1. FC Nürnberg und der Hannoveraner FIFA-Referee Harm Osmers wurde nicht für Partien von Eintracht Braunschweig, des VfL Wolfsburg oder anderer niedersächsischer Klubs angesetzt. Seit dem Corona-Sonderspielbetrieb ist das anders, Brych leitete seit 2020 etwa sechs Spiele der Nürnberger in der 2. Liga, Osmers fünf Partien der Wolfsburger und 2021 gar ein Drittliga-Spiel der Braunschweiger.

Ob das wegen der Rivalität zwischen den Klubs aus Hannover und Braunschweig eine glückliche Ansetzung war, steht auf einem anderen Blatt. Denn bei der Landesverbands-Neutralität ging es ja vor allem darum, den Schiedsrichter zu schützen und ihn im Themenfeld „möglicher Interessenskonflikt“ gar nicht erst angreifbar zu machen. Völlig unabhängig davon, ob er auch nur im entferntesten etwas mit Vereinsrivalitäten oder regionalen Befindlichkeiten zu tun haben könnte.

Klubs aus dem Wohnort und dem Ort des Stammvereins bleiben tabu

Deshalb gelten zumindest weiterhin diese internen Vorgaben: Schiedsrichter werden nicht bei Klubs aus ihrem eigenen Wohnort oder dem Ort angesetzt, in dem sich der Stammverein des Schiris befindet. Also pfeift Spitzenkraft Brych seit jeher keine Bayern-Spiele, und Osmers keine 96-Partien.

Das gilt in der Regel auch, wenn ein Unparteiischer im nahen Umfeld eines Profivereins wohnt. Dazu gibt es Einzelfallentscheidungen, ebenso rund um die Fragen, wie nah liegt der Stammverein eines Schiris an einem Profiklub, welche (regionalen) Verbindungen bestehen oder bestanden zwischen einem Referee und einem Profiverein, etwa durch denselben Schiedsrichter-Kreis oder ein Fan-Dasein in Kinder- und Jugendtagen. So haben beispielsweise die Pfälzer Erstliga-Schiris Christian Dingert (Lebecksmühle) und Timo Gerach (Landau) trotz Entfernungen von 35 und 55 Straßenkilometern nach Kaiserslautern bislang kein FCK-Spiel geleitet.

Stieler: Verein in Offenbach, Umzug von Hamburg in einen Freiburger Vorort

Der aktuelle Wohnortwechsel von FIFA-Schiedsrichter Tobias Stieler zeigt, wie dadurch auch die „Ansetzungssperren“ wechseln. Der Jurist und Sportpsychologe wohnte jahrelang in Hamburg und wurde in dieser Zeit für Spiele des HSV sowie des FC St. Pauli nicht eingesetzt. Gemeldet ist der im hessischen Obertshausen geborene Stieler aber nach wie vor bei seinem Heimatverein SG Rosenhöhe in Offenbach am Main, hat daher noch nie ein Spiel der Offenbacher Kickers geleitet. Partien von Eintracht Frankfurt pfeift Stieler erst seit der Corona-Zeit hin und wieder.

Nun ist Stieler aber nach Sölden umgezogen. Damit ist allerdings nicht der bekannte Ski-Ort in Österreich gemeint, sondern ein Vorort von Freiburg im Breisgau. Entfernung aus dem gut 1000-Einwohner-Dorf bis ins Freiburger Zentrum: Etwa neun Kilometer. Daraus folgt, wie der DFB dem kicker auf Nachfrage bestätigte: Stieler ist nun frei für Spiele der Hamburger Klubs, wird ab sofort aber keine Partien des SC Freiburg mehr leiten.

Besonders 2017/18 krachte es zwischen dem SC und Stieler

Von 2009 bis 2012 hatte Stieler bereits vier Zweitliga-Spiele des FC St. Pauli gepfiffen und 2012 auch  eine HSV-Partie in der Bundesliga. Der Gegner damals beim 1:3 aus Hamburger Sicht: Der SC Freiburg. Das war die erste von bisher 20 Spielleitungen Stielers mit SC-Beteiligung. Sein Einsatz beim Freiburger 1:5 bei Meister Leverkusen kurz vor Weihnachten 2024 war in dieser Hinsicht vorerst eine Abschiedsvorstellung.

In den zwölf Jahren Stieler und Freiburg gab es gute und stabile Spielleitungen, wie jüngst in Leverkusen (kicker-Note 3), aber auch größere Aufreger. Dabei stechen vor allem zwei aus der Saison 2017/18 heraus, von denen einer auch bundesweite Schlagzeilen machte.

Streich tobte – Petersens Platzverweis nachträglich annulliert

Nach einer guten Leistung am 5. Spieltag beim Freiburger 1:1 gegen Hannover erwischte Stieler am 10. Spieltag einen sehr schlechten Tag beim SC-Auswärtsspiel in Stuttgart, bei dem eine falsche Rote Karte gegen Freiburgs Innenverteidiger Caglar Söyüncü in der 12. Minute den 3:0-Sieg des VfB begünstigte.

Als sich Stieler und der Sport-Club dann am 28. Spieltag auf Schalke wiedersahen, entschuldigte sich der Referee vor der Partie nachträglich für seinen Fehler in Stuttgart bei Christian Streich, der dann im Verlauf der folgenden 0:2-Niederlage wegen einer Entscheidung Stielers aber so außer sich war, dass er den Referee aus nächster Nähe anbrüllte und daraufhin auf die Tribüne geschickt wurde.

Auch wenn Streichs Reaktion überzogen war, konnte man seinen Ärger nachvollziehen. Stieler hatte Freiburgs Nils Petersen mit Gelb-Rot vom Platz gestellt, der Stürmer hatte die erste Verwarnung in seinem Rücken aber gar nicht bemerkt. Der Platzverweis wurde im Nachhinein vom DFB-Bundesgericht annulliert.

 

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