Während der COVID-Pandemie musste auch der deutsche Profifußball zeitweise den Betrieb einstellen. Der frühere Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Christian Seifert, blickt fünf Jahre nach dem ersten Corona-Geisterspiel zurück – und übt scharfe Kritik am Vorgehen der Politik.
Ex-DFL-Geschäftsführer beklagt Folgen bis heute
Im Frühjahr 2020 schien die Welt stillzustehen. Das Coronavirus ließ das öffentliche Leben erlahmen. Maßnahmen, von denen ebenso der Profifußball betroffen war – der aber dank des ausgeklügelten DFL-Hygienekonzepts als eine der ersten Branchen handfeste Lösungen in der Krise präsentierte. Um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs ohne Stadionpublikum entbrannten dennoch teils erbitterte Diskussionen, was Christian Seifert als damaligen Geschäftsführer der DFL bis heute umtreibt.
Die einschneidenden Maßnahmen zu Beginn der Pandemie habe er komplett verstanden und unterstützt, betont Seifert im kicker-Interview fünf Jahre nach dem ersten Corona-Geisterspiel zwischen Gladbach und Köln am 11. März. Doch in der Folge sei es „ganz schnell um Zeichen und nicht mehr um Inhalte gegangen“, merkt der heutige Medienunternehmer und Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Sporthilfe an, „dabei war einiges gegen jede Logik. Das hat mich am Anfang wütend gemacht, und ich war auch enttäuscht.“
- Seifert zur Corona-Zeit: „Manches war gegen jede Logik“ (k+)
Von Seiferts Kritik angesprochen fühlen dürfen sich Verantwortliche der öffentlich-rechtlich Medien („viele Menschen hatten das Gefühl, dass die Berichterstattung mindestens am Anfang der Krise sehr einseitig war“) ebenso wie Meinungsmacher und Entscheider aus der Politik: „Selbst als wir dann ein funktionierendes Hygienekonzept hatten, saß etwa Frau Baerbock in einer Talkshow und hat Herrn Laschet, ich muss das leider so hart sagen, angegeifert nach dem Motto: Jetzt kommt die deutsche Fußballliga und kriegt eine Ausnahme.“ Der spätere Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe gar suggeriert, der Profifußball würde „Krankenschwestern die Tests wegnehmen. Dabei hätte schon eine Google-Recherche gereicht, um zu erkennen, dass das einfach nicht stimmte.“
56.000 Arbeitsplätze hingen von der Fortsetzung der Bundesliga ab
Viel Zuspruch fürs Vorgehen der DFL gab es damals aus dem Ausland. Doch mit Blick aufs eigene Land lautet Seiferts bitteres Fazit: „Ich hatte den Eindruck, dass uns sehr viele scheitern sehen wollten.“ Politisch, glaubt der 55-Jährige, wirke die Corona-Zeit und insbesondere deren mangelhafte Aufarbeitung bis heute nach: „Einiges von dem, was wir momentan in der öffentlichen Debatte sehen, was sich auch in den Wahlergebnissen niederschlägt, hat seinen Ursprung in der Corona-Zeit. Und darin, dass diese Corona-Zeit nicht aufgearbeitet wurde. Ich fürchte, wir sehen heute noch Bremsspuren davon.“
Zugleich vermisst Seifert heute wie damals „die ernsthafte Fragestellung: Was können wir alle gemeinsam für unser Land daraus lernen?“ Beispielsweise hätte das DFL-Hygienekonzept „durchaus auch auf Altenheime angepasst werden können. Doch danach hat kaum einer gefragt. Stattdessen wurde allzu oft die Neidkarte gespielt: Kinder dürfen nicht auf den Spielplatz, aber die Fußballmillionäre dürfen spielen.“
Dabei ging diese Rhetorik in Seiferts Augen an der Realität vorbei: „Es galt, eine existenzielle wirtschaftliche Krise zu bewältigen, in der rund 56.000 Arbeitsplätze betroffen waren, viele davon übrigens im Bereich der unteren und mittleren Einkommensgruppen. Diese Arbeitsplätze hingen davon ab, dass wieder Profifußball gespielt wird. Das habe ich als meine Herausforderung und Aufgabe gesehen.“