Bei der Mitgliederversammlung von Eintracht Frankfurt äußerte sich Vorstandssprecher Axel Hellmann auch zu fanpolitischen Themen – ganz konkret zu Polizeikosten, eingeschränkten Freiheiten bei Auswärtsspielen und Maßnahmen, die man nur bei „Schwerverbrechern“ kenne.
Eintracht-Boss sorgt sich um Freiheitsrechte
Mitte Januar hat das Bundesverfassungsgericht ein viel diskutiertes Urteil gesprochen: Die Beteiligung von Klubs an den Polizeikosten bei Hochrisikospielen ist rechtmäßig. Konkret betrifft das Urteil zunächst nur die Praxis der Hansestadt Bremen, wo Werder seit 2015 entsprechende Polizeieinsätze in Rechnung gestellt wurden. Andere Bundesländer erwägen jedoch, nachzuziehen. Das Land Hessen hat in Person von Innenminister Roman Poseck (CDU) angekündigt, entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen, wünscht sich aber ein bundesweit einheitliches Vorgehen. Ausgang ungewiss.
Axel Hellmann, der mit dem Urteil „nicht glücklich“ ist, hat an der Umsetzbarkeit grundsätzliche Zweifel: „Ich frage mich ehrlicherweise: Wo beginnt und wo endet die Verantwortung? Und welches Mitspracherecht bekommen wir dann bei Maßnahmen, Tiefe, Einsatz, Quantität und Aufstellung entsprechender Polizeimaßnahmen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Thema am Ende in der Praxis zum gewünschten Erfolg führt, wenn es nicht zu einem bürokratischen Monster werden soll.“ Letztlich würde das Geld der Fans und Kunden zum Staat durchgeleitet werden.
Hoffnung auf „vernünftige Gesprächspartner“
Hellmann skizzierte an einem Beispiel, wo er konkret mögliche Probleme sieht: „Ist es gerecht, dass wir für Vorfälle in Marburg, Fulda oder Wiesbaden bezahlen, weil die Eintracht an dem Tag spielt und wir für den dritten oder vierten Wasserwerfer und den zweiten Helikopter über dem Stadion die Party zahlen sollen? Ich habe da meine Zweifel.“ Der 53 Jahre alte Jurist betonte aber, er habe „zumindest die Hoffnung, dass wir in Hessen weiterhin vernünftige Gesprächspartner haben, die das auch nicht so sehr in den Mittelpunkt rücken wollen, wie das aktuell andere tun“.
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Noch liegt das Thema Polizeikosten nicht konkret auf dem Tisch des Vorstandssprechers. Derzeit bewegt ohnehin ein anderes fanpolitisches Thema Hellmann und speziell seinen Vorstandskollegen Philipp Reschke, verantwortlich für Fan- und Sicherheitsthemen: „Nämlich die Einschränkung der Freizügigkeit und Freiheitsrechte.“
Rom, Lyon und Co.: Initiative gegen Freiheitseinschränkungen
Bei internationalen Auswärtsspielen machten die Frankfurter Anhänger in den vergangenen Jahren etliche unangenehme Erfahrungen: „Wir gewöhnen uns ja schon an Lyon und Rom. Man kommt an einen Sammelplatz, dort werden Karten ausgegeben, dann wird man mit Bussen rein und wieder rausgebracht.“
Hinzu kommen Betretungsverbote, wie in der vergangenen Saison beim Spiel in Brüssel gegen Union Saint-Gilloise. Teilweise werden Fans nicht wie Touristen, sondern wie Kriminelle behandelt. Hellmann findet, dass diese Zustände ganz viel von dem wegnehmen, was diese Spiele so charmant macht, „weil man sie mit Reisen verknüpfen, sich die Stadt und das Land anschauen und kulturelle Begegnungen haben kann“. Er beobachtet mit Sorge, dass „unter dem Oberbegriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Freiheitsrechte immer weiter eingeschränkt werden“.
Soweit alles richtig. Doch sollte der Vollständigkeit halber erwähnt werden, dass die Sorgen der Behörden nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Im März 2023 lieferten sich Hunderte Frankfurter Gewalttäter auf den Straßen Neapels heftige Auseinandersetzungen mit gegnerischen Hooligans und der Polizei. Dass die italienischen Behörden idiotischerweise ein Ticketverbot für Gästefans ausgesprochen hatten, rechtfertigt dieses Verhalten nicht. Auch bei anderen Auswärtsspielen kam es zu Krawallen.
Dennoch liegt Hellmann richtig, wenn er kritisiert, dass die große Mehrzahl der friedlichen Fans von „staatlichen Autoritäten, die damit ihr Versagen auf anderen Feldern medienwirksam kaschieren wollen“, drangsaliert werden. Die Eintracht habe daher die Initiative ergriffen und andere Klubs in Deutschland und Europa eingeladen, sich gemeinsam gegen die Einschränkung der „Freizügigkeitsrechte“ stärker zu wehren – im Austausch mit EU, UEFA und ECA.
Hellmann kritisiert Polizei-Maßnahmen: „Nicht verhältnismäßig“
Damit noch nicht genug. Hellmann hatte auch noch ein drittes Thema parat. Es ging ihm dabei um jüngst erfolgte staatliche Maßnahmen im Rahmen von zwei Anlässen. Weil im Spieltagsheft „Schwarz auf Weiß“ der Ultras eine Äußerung abgedruckt wurde, die auf ein Zitat der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof zurückgeht und zur Gewalt gegen Polizisten aufruft, hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft Ende Januar die Wohnung eines Eintracht-Fans durchsucht. Für Hellmann ist es „nicht verhältnismäßig, dafür in die Privatsphäre von Leuten einzudringen“. Das kann man auch anders bewerten.
Ähnlich bewertet er die Öffentlichkeitsfahndung nach bisher nicht identifizierten Tatverdächtigen im Zusammenhang mit den Randalen im Waldstadion beim Spiel gegen den VfB Stuttgart im November 2023. Hellmann stellte infrage, „ob dieses Mittel, das man gemeinhin von der Terrorfahndung kennt und bei Schwerverbrechern anwendet, nicht auch im Sinne der Verhältnismäßigkeit außerhalb des Rechtsstaats stattfindet“.
Vorwürfe, man würde bei der Eintracht nichts gegen die problematischen Fans unternehmen, könne er nicht mehr hören. „Das geht so weit an der Realität vorbei und stimmt in keinster Weise“, betonte er. Im vergangenen Jahr seien nach 150 Anhörungen über 50 Stadionverbote ausgesprochen worden. Auch im Vorfeld der Spiele würden viele Gespräche geführt, „um Druck aus dem Kessel zu nehmen“. Die Welt sei komplex, man dürfe nicht „dem einfachen Populismus folgen“.