Brychs Shitstorm wegen CR7: „An diesem Tag war er anders drauf“ 

 

Nach der Ankündigung, seine Karriere nach der laufenden Saison zu beenden, hat sich Bundesliga-Rekordschiedsrichter Dr. Felix Brych am Donnerstag ausführlich geäußert. Über die Gründe für seinen Rücktritt, die größten Momente seiner Karriere – und über einen Shitstorm wegen Cristiano Ronaldo.

Rekord-Schiedsrichter spricht über seine Karriere

Am vergangenen Sonntag hat Dr. Felix Brych angekündigt, seine Laufbahn nach der aktuellen Saison zu beenden. Seinen Bundesliga-Rekord von aktuell 352 geleiteten Spielen kann er bis dahin noch ausbauen. Vier Tage nach der Ankündigung sprach Brych in einer digitalen Medienrunde, an der auch der kicker teilnahm, über …

… die Hintergründe für seine Entscheidung: „Die ersten Anzeichen kamen nach dem letzten Spiel vor der Winterpause in Stuttgart (0:1 gegen St. Pauli, d.Red.). Auf der Heimfahrt hatte ich zwei Stunden Zeit und habe angefangen, in mich reinzuhorchen. Es war schwer, noch Ziele zu finden – und ich war immer jemand, der sich über Ziele motiviert hat. Das größte Ziel war die Rückkehr nach meinem Kreuzbandriss, was ein riesiger Kraftakt war. Das 350. Bundesliga-Spiel Anfang Dezember war das letzte Ziel. Ich habe dann mit meiner Frau gesprochen, mit Knut Kircher – und mit anderen Menschen, die mir wichtig waren. Irgendwann musste ich die Entscheidung dann treffen.“

… seine Gefühlslage nach der Rücktritts-Bekanntgabe: „Die Reaktionen sind bis jetzt sehr positiv, das freut mich sehr. Auch in meinem Umfeld geben mir alle Recht. Ich werde in diesem Jahr 50, Fußball in der Bundesliga ist ein Hochgeschwindigkeits-Sport. Nach meinem Kreuzbandriss wollte ich einfach auf den Platz zurück und dort meine Karriere beenden.“

… das Highlight seiner Karriere: „Das war das Champions-League-Finale 2017, das größte Spiel im Vereinsfußball. Es war ein langer Weg dorthin, weil der FC Bayern und Borussia Dortmund zu dieser Zeit sehr gut waren und man als deutscher Schiedsrichter dann raus war. In diesem Jahr sind beide im Viertelfinale ausgeschieden. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, beide hatten das Hinspiel verloren. Ich saß in Anderlecht und habe mich auf das Europa-League-Spiel zwischen Anderlecht und ManUnited vorbereitet. Das war die letzte Hürde, da musste alles gutgehen. Von diesem Spiel kann ich mich deshalb noch an unglaublich viele Dinge erinnern.“

… seine Bestrebungen, dem Schiedsrichterwesen erhalten zu bleiben: „Ich werde mein Wissen auf jeden Fall weitergeben. Ich habe über 800 Profispiele gepfiffen, auch im Ausland, da ist viel hängengeblieben. Ich bin mit Knut Kircher in einem guten Austausch. Wir werden uns sicher treffen und weitere Dinge besprechen. Zuerst möchte ich aber schauen, dass ich bis Mai all meine Kraft auf den Platz legen kann.“

… die Entwicklung der mentalen Belastung im Lauf seiner Karriere: „Früher war es für mich eher das mentale Comeback nach schlechten Leistungen wie bei der WM oder beim Phantomtor in Hoffenheim. Zuletzt war es eher das Comeback nach der schweren Verletzung. Jetzt merke ich aber, dass die Kraft schwindet – und auch die Lust auf Stress. Als Schiedsrichter brauchst du Lust, stressige Situationen zu lösen. In den 21 Jahren meiner Karriere wurde es immer mehr. Früher sind wir noch zu dritt zu den Spielen gefahren, irgendwann dann zu viert und jetzt sind wir inklusive des Kölner Kellers zu acht. Social Media ist während meiner Karriere dazugekommen. Das Internet war noch in den Kinderschuhen, als ich angefangen habe. Ich habe das gerne ausgehalten, aber jetzt ist es auch gut.“

„Normalerweise hatte ich immer einen guten Draht zu ihm.“ (Brych über Cristiano Ronaldo)

… seine Erlebnisse mit Cristiano Ronaldo und Lionel Messi: „Ich bin mit beiden groß geworden im internationalen Fußball. Cristiano habe ich sogar mal vom Platz gestellt. Es war das erste Spiel nach seinem Wechsel zu Juventus, auswärts in Valencia, eine feindselige Atmosphäre. Normalerweise hatte ich immer einen guten Draht zu ihm, aber an diesem Tag war er anders drauf als sonst. Er hat einem Gegenspieler in die Haare gegriffen und ich habe ihm Rot gezeigt. Das Stadion in Valencia hat getobt, das Internet aber auch. Der Mann hat 500 Millionen Follower, da können Sie sich vorstellen, was da los war. Mit Messi habe ich eher wenig gesprochen, er hat den Kontakt nicht gesucht und auch nicht angenommen. Der wollte immer einfach spielen.“

… das veränderte Standing von Schiedsrichtern: „Ich spüre mehr Interesse. Durch den VAR und die jetzt neu dazugekommenen Durchsagen ist alles transparenter geworden. Zu meiner Anfangszeit war ja noch nicht mal jedes Spiel live zu sehen. In den ersten Jahren, in denen ich international gepfiffen habe, war der Schiedsrichter nicht immer ein großes Thema, vieles blieb im Verborgenen. Die Spiele wurden aber immer größer durch die Vorberichterstattung. Es gibt immer mehr Medien und damit mehr Interesse. Mir hat es aber immer Spaß gemacht, mich auf neue Dinge einzustellen.“

… die Ausdehnung des Matchkalenders: „Ich will das nicht groß bewerten. Als Schiedsrichter sind wir Dienstleister. Wir können die Spiele annehmen oder eben nicht. Ich habe seit 2012 jeden Sommer durchgepfiffen. Man muss seinen Körper darauf einstellen. Mehr steht uns nicht zu.“

… die Vorbilder für seinen vorab angekündigten Rücktritt: „Toni Kroos war sicherlich ein Vorbild, der sein Karriereende für nach der EM angekündigt hatte. Aber auch Angelique Kerber, die gesagt hat: Ich spiele noch Olympia und dann ist Schluss.“

… den Eindruck, dass die Spiele immer hitziger werden: „Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe auch schon vor zehn, zwölf Jahren Atletico gegen Juventus oder in Liverpool gepfiffen, das war auch sehr hitzig (lacht). Ich glaube, es war immer meine große Stärke, dass ich es erkannt habe, wenn Spiele in eine solche Richtung gelaufen sind – und dann auch eingegriffen habe.“

… seinen Wunsch-Abtritt und ob er wie Manuel Gräfe ein Spalier beim letzten Spiel möchte: „Ich war nie der Schiedsrichter, der sich in den Fokus gerückt hat. Ich war nie ein Show-Typ. Das würde ich gerne beibehalten. Ich möchte gerne verletzungsfrei bleiben und dann einen schönen Abschied haben mit Menschen, die mir nahestehen, aber diese Show-Elemente werden Sie von mir nicht sehen.“

 

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