Es ist bislang nicht die Saison von Julian Brandt. Nun steht BVB-Trainer Niko Kovac vor der schweren Entscheidung, ob er seinen Zehner nach überstandener Verletzung trotzdem wieder aufstellt oder ob er ihn auf die Bank setzt. Argumente gibt es für beides.
Dem BVB-Zehner droht beim FC St. Pauli eine traurige Premiere
Im Sommer 2024 war die schwarz-gelbe Welt noch in Ordnung. Der Klub hatte die Niederlage im Champions-League-Finale 2024 und den darauf folgenden Rückzug von Trainer Edin Terzic verdaut. In Nuri Sahin stand ein neuer Coach an der Seitenlinie, der als Spieler große Erfolge mit den Schwarz-Gelben gefeiert hatte und für viele beim und rund um den BVB ein absoluter Hoffnungsträger war. Und auch die Mannschaft schien gezielt verstärkt. Mittendrin dabei: Julian Brandt.
Als Vize-Kapitän und Neu-Zehner in die Saison gestartet
Der Offensivkünstler bekam von Sahin nicht nur die Rolle als Vize-Kapitän zugesprochen, er wechselte auch seine Rückennummer: Fortan wollte er mit der 10 auflaufen – und damit noch sichtbarer die Führung in der Dortmunder Attacke-Abteilung übernehmen. „Die Nummer hat etwas Mystisches“, sagte Brandt, der zuvor die 19 auf dem Rücken getragen hatte, damals. „Ich bin jetzt schon ein paar Jahre im Verein und freue mich darauf.“
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Gänzlich überraschend kam der Nummern-Tausch und die Beförderung im Teamranking nicht, zählte Brandt in der Vorsaison doch zu den absoluten Leistungsträgern der Borussia. Zehn Treffer und 16 Assists hatte er in 47 Pflichtspielen der Spielzeit 2023/24 beigesteuert und seine Zahlen aus der Saison 2022/23 (zehn Tore, neun Assists) noch einmal gesteigert. Brandt, so schien es im Sommer 2024, sei in seinem sechsten Jahr beim BVB bereit für den nächsten Schritt.
Brandt: „Die Situation trifft mich schon sehr“
Allein: Es kam alles anders. Die Dortmunder Mannschaft schleppte sich mit zahlreichen Problemen durch die Saison, so dass Sahin frühzeitig in die Kritik geriet – und im Januar schließlich gehen musste. Und Brandt? Der wurde – neben etlichen anderen Dortmundern – mehr und mehr zu einem der Gesichter der schwarz-gelben Krise.
Vier Tore und zehn Vorlagen in 30 Pflichtspielen sind dabei gar kein katastrophaler Wert, aber eben doch zu wenig angesichts der hohen Erwartungen, die er, der Klub und die Fans in ihn gesetzt hatten. Die einstige Leichtigkeit, die ihn fußballerisch immer ausgezeichnet hatte, ging verloren. Die einstige Magie, die er mit seinen Füßen an guten Tagen versprühte, war kaum noch zu sehen. „Die Situation“, gab er kürzlich zu, „trifft mich schon sehr.“ Und das war seinem Spiel anzumerken.
Auch Kovac schätzt Brandt
Ausgerechnet bei Dortmunds 6:0-Kantersieg gegen Union Berlin am vergangenen Samstag fehlte Brandt, der sich stark mit dem BVB identifiziert, nun aufgrund einer Muskelverhärtung. Inzwischen ist er zwar wieder ins Training eingestiegen, aber es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob der neue BVB-Trainer Niko Kovac die zuletzt so erfolgreiche Startelf ändern möchte – oder ob Brandt beim Auswärtsspiel beim FC St. Pauli zunächst auf der Bank Platz nehmen muss. Es wäre eine Premiere in dieser Bundesliga-Saison, denn bislang galt: Ist Brandt fit, dann spielt er auch. Sämtliche 19 Liga-Einsätze absolvierte er von Beginn an.
Auch Kovac schätzt die fußballerischen Qualitäten des Nationalspielers. Wiederholt hat der 53-Jährige ihn in Pressekonferenzen stark geredet. Für den BVB-Trainer ist die Situation daher nicht einfach, auch wenn es gute Argumente gäbe, erneut auf Giovanni Reyna im Zentrum zu setzen. Setzt er Brandt allerdings auf die Bank, droht seine Taktik des Stark-Redens bei seinem Zehner erst einmal zu verpuffen.
Das Beispiel Bensebaini
Das Beispiel Ramy Bensebaini könnte ein Indiz dafür sein, wie Kovac mit der Situation umgehen könnte. Auch der Algerier musste kürzlich verletzt passen und wurde in dieser Zeit von Winter-Neuzugang Daniel Svensson mehr als ordentlich vertreten. Als Bensebaini jedoch wieder fit war, rotierte er gegen Union zurück in die Startelf. Auch deshalb, weil Kovac gerne viel Routine auf dem Platz haben möchte – und davon hat Brandt, dessen Vertrag beim BVB noch bis 2026 datiert ist, in seiner Karriere ebenfalls bereits reichlich gesammelt.